Nachdem ich Vancouver verlassen hatte, stellte sich die Frage, welche Route ich einschlagen sollte. Die Uhr schlug den 10. Juni, am 24. Juni wollte ich mich auf den Weg nach New York machen, also blieben 14 Tage Zeit für das kleine Kanada. Meine ursprüngliche Idee, den Trans-Alaska-Highway bis nach Anchorage in Alaska hochzufahren und dann in den Northwest Territories auf Eisbärjagd zu gehen, verwarf ich ziemlich schnell wieder. Bis nach Alaska wären es alleine 3.000 km gewesen und dann über den Nordwesten Kanadas über die Nationalparks nach New York nochmal um die 10.000 km. Ein wenig reichlich für 3 Wochen…

Also beschloss ich die Eingeborenen (also die Kanadier) zu fragen, was denn wohl die bärigste Strecke wäre. Da hatte allerdings jeder Kanadier seine eigene Theorie. Von schwierig bis unmöglich Bären zu sehen oder auch Bären nicht zu sehen, war alles dabei. Der eine schickte mich links rum, der andere rechts und der dritte wusste wieder einen besseren Weg. Letztendlich verließ ich mich auf meine Karte von British Columbia und Alberta, die ich mir kostenfrei vom BCAA (dem Kanada-ADAC) ermogelt hatte.
Ich hatte der Dame mit treudoofem Dackelblick versichert, dass ich ADAC-Mitglied wäre, nur dummerweise meine Karte im Auto hätte liegen lassen. Ich fuhr über den sehenswerten Highway 99 an Whistler vorbei in nordöstlicher Richtung nach Williams Lake. Von dort aus führte mich eine 500 km lange Stichstraße an die Westküste nach Bella Coola, vorbei an einigen Nationalparks und National Forests. Was ich dann erlebte, war echt bärenstark: Auf dem Hinweg lief mir ein schwarzer und ein brauner Schwarzbär über den Weg, anschließend eine Schwarzbärmama mit zwei Cubs, wie die kleinen Bärenkinder hier genannt werden, die höchstens zwei, drei Monate alt waren und bei jedem Geräusch rasend schnell auf den nächsten Baum kletterten und anschließend konnten ich noch einen einzelnen Schwarzbären beobachten, wie er nicht weit vom Straßenrand Gras fraß und nach kleinen Insekten grub.

Nun es gibt ca. 160.000 Schwarzbären in Kanadas Westen, aber nur um die 13.000 der größeren Grizzlies. Das war wohl der Grund weshalb ich diese Art noch nicht gesehen hatte. Obwohl die Schwarzbären hierzulande von Schwarz bis Braun viele Farbschattierungen annehmen können, so war ich mir sicher, noch keinen Grizzly gesehen zu haben. Diese sind zum einen größer und kräftiger, haben eine andere, rundere Kopfform und einen kleinen, aber markanten Höcker zwischen ihren Schulterblättern. Doch was war das da vorne auf der Straße? Zweifelsfrei ein Bär, weder braun noch schwarz, sondern eher grau-braun. Als er dann noch vor mir über die Straße lief, war der Höcker deutlich zu sehen. Ich konnte mein Glück kaum fassen als gleich noch zwei kleinere Bären hinterher hüpften.
Ich hatte schon wieder eine Mama mit Nachwuchs erwischt! Die beiden Jungen waren schon älter, vermutlich sehr früh zwischen Winter und Frühling geschlüpft, aber trotzdem noch verspielt und drollig anzuschauen. Einzig die Mücken, die mich regelrecht einnebelten immer dann, wenn ich meinen Wagen ein paar Minuten geparkt hatten, trübten die Bärenfreude ein wenig.

Abends im Camper schaute ich mir die Bilder und Videos der letzten zwei Tage an. Ich war verrückterweise die 500 km lange Stichstraße am ersten Tag rein und am zweiten wieder raus gefahren. Insgesamt waren mir 24 Bären begegnet, wenn man die kleinen als vollwertige Bären mitzählt und die 12 Erdbeeren vom Frühstück ebenfalls reinrechnet. Doch auch ohne die roten Beeren waren die ersten Tage in der Wildnis von Kanada ein voller Erfolg und ich bin sehr gespannt, was ich hier noch sehen werde.